- Raumfahrttechnik: Antrieb und Bahnmechanik
- Raumfahrttechnik: Antrieb und BahnmechanikSergej Koroljow, führender Kopf der sowjetischen Raketenwissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg, brachte es einst auf den Punkt: »Raketen sind beides, Waffen und Instrumente der Wissenschaft.« Diese aus dem Geist des Kalten Krieges geborene Bewertung zeigt die starke Überlappung von Militärtechnik und Raumfahrt in jener Zeit. Diese Ambivalenz zeigt sich auch bei einem Blick in die Vergangenheit: Die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen und die technische Realisierung zuverlässig funktionierender Raketen von immer größerer Schubkraft sind einerseits immer ein Wunsch von Artillerieoffizieren (und Feuerwerksmeistern) gewesen, andererseits aber auch untrennbar mit der Verwirklichung des Menschheitstraums Raumfahrt verbunden.In Mythen und religiösen Vorstellungen vieler Völker der Frühzeit tauchen Vorstellungen von Weltraumflügen auf. Später wurden sie dann ein beliebtes Sujet der Unterhaltungsliteratur und des Films — ausgestaltet mit mehr oder minder physikalisch-technisch korrekten Details.Feststoffraketen auf der Basis von Schießpulver werden seit Jahrhunderten benutzt, und zwar — wie gesagt — in erster Linie für die Kriegsführung, aber auch zum Beispiel als Feuerwerkskörper. Eine der ersten modernen Flüssigkeitsraketen, gebaut nach Prinzipien und mit Technologien, wie sie auch heute noch angewendet werden, war die »A4« oder »V2« genannte Kriegswaffe, die eine Gruppe von Ingenieuren um Wernher von Braun im Zweiten Weltkrieg in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde für die deutsche Wehrmacht konstruiert hatte und die im Oktober 1942 erstmals erfolgreich gestartet wurde. Diese »Wunderwaffe« zeigt aber auch die Ambivalenz des Begriffs »Rakete«: Die V2 war technisch gesehen ein Glanzstück, sie bewirkte aber bis zum Kriegsende 1945 verheerende Zerstörungen bei der Bombardierung britischer Städte.Heute, wo wesentliche Teile der Raumfahrt sich zu einem von reinen Wirtschaftlichkeitserwägungen bestimmten Geschäft wandeln, können wir viel nüchterner feststellen: Raketen sind Transportmittel — und als solche sind sie a priori weder gut noch böse.Elemente der RaketentechnikTrägerraketen, auch kurz Träger genannt, sollen von ihrem Startplatz auf der Erdoberfläche Nutzlasten (Satelliten und andere Raumfahrzeuge) an ihren vorgesehenen Bestimmungsort im Weltraum befördern. Sie sollen sicher und zuverlässig sein, pünktlich, aber flexibel, nach Möglichkeit umweltschonend, vor allem aber so kostengünstig wie nur möglich. Um einen Satelliten in den gewünschten Orbit zu bringen, muss ihn der Träger im Perigäum der Bahn mit hoher Präzision in den Orbit »einschießen«. Dies erfordert sehr aufwendige Berechnungen der Aufstiegsbahn und der erreichten Endgeschwindigkeit, denn die Gestalt der Bahn und insbesondere die Höhe des Apogäums hängt sehr empfindlich von der Geschwindigkeit im Perigäum ab — schon kleinste Abweichungen der erforderlichen von der tatsächlichen Geschwindigkeit bewirken große Änderungen in der Apogäumshöhe.Entscheidendes Element eines Trägers ist der Antrieb, der zwei grundsätzlichen Anforderungen zu genügen hat: Erstens muss er die notwendige Kraft zur Überwindung der Erdschwere aufbringen, und zweitens muss er auch im luftleeren Raum außerhalb der Erdatmosphäre funktionieren. Die Rakete ist der einzige heute bekannte Antriebsmechanismus, der beides zu leisten imstande ist.Raketenantrieb: Das RückstoßprinzipDas Funktionsprinzip des Raketenantriebs ist jedem klar, der schon einmal einen Feuerwerkskörper gezündet hat: Durch heftige Verbrennung erhitzte Gase, die nach hinten mit hoher Geschwindigkeit entweichen, treiben die Rakete nach vorn. Die Grundlage des Raketenantriebs bildet der physikalische Satz, wonach die Summe aller Impulse (Produkt aus Masse und Geschwindigkeit) in einem geschlossenen System erhalten bleibt. Dieser Satz wird auch als drittes Newton'sches Gesetz bezeichnet und besagt in seiner einfachsten Formulierung, dass jede Aktion eine gleich starke Reaktion in die entgegengesetzte Richtung bewirkt (»actio = reactio«).Im Raketenmotor ist die vorwärts gerichtete Antriebskraft, der Vortrieb oder Schub, die Reaktion. Sie wird dadurch erzeugt, dass nach rückwärts Materie mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen wird (das ist die Aktion). Die Energie zur Beschleunigung der abgestoßenen Masse liefert bei den heutigen Raketenmotoren die Verbrennung von Treibstoffen im Brennraum des Raketentriebwerks.Als Treibstoffe werden sowohl Flüssigkeiten als auch feste Stoffe verwendet — man spricht dementsprechend von Flüssigkeits- oder Feststofftriebwerken. Bei Flüssigkeitstriebwerken besteht der Treibstoff in der Regel aus zwei Komponenten, die in getrennten Tanks gespeichert sind: dem eigentlichen Brennstoff und dem Oxidationsmittel, das den notwendigen Sauerstoff für die Verbrennung enthält. Ein oft verwendeter Brennstoff ist Dimethylhydrazin, ein lagerfähiger, aber hochgiftiger und selbstentzündlicher Kohlenwasserstoff; in modernen Hochleistungsaggregaten wird der energiereichere flüssige Wasserstoff eingesetzt. Das Oxidationsmittel liegt entweder in chemisch gebundener Form, zum Beispiel als Distickstofftetroxid, oder als reiner flüssiger Sauerstoff vor.Feststofftriebwerke sind wesentlich einfacher aufgebaut. Der Festtreibstoff ist ein Gemisch aus Brennstoff und Oxidator, etwa Ammoniumperchlorat, das durch ein Bindemittel die gewünschte Konsistenz erhält. Ist eine Feststoffrakete einmal gezündet, so brennt sie so lange, bis der gesamte Treibstoff verbraucht ist; anders als ein Flüssigkeitstriebwerk kann sie während des Betriebs weder abgeschaltet und erneut gezündet noch in ihrer Schubstärke geregelt werden. In militärischen Raketenflugkörpern setzt man auch Mischformen ein, bei denen in eine Brennkammer, die zugleich Vorratsraum für einen festen Brennstoff ist, flüssiger Sauerstoff eingespritzt wird.Die bei hoher Temperatur und unter hohem Druck in der Brennkammer entstehenden Verbrennungsprodukte strömen durch eine sich zuerst in einen »Hals« verjüngende und dann wieder kegelförmig sich weitende Abgasdüse (auch Entspannungs- oder Laval-Düse genannt) in die Umgebung. So soll ein möglichst großer Anteil der ungerichteten thermischen Energie in den gerichteten Abgasstrahl gelenkt werden, damit dort der Druck möglichst hoch wird. Auf diese Weise erhöht man den erzeugten Schub, da er außer von der Geschwindigkeit der Verbrennungsgase im Abgasstrahl auch von der Höhe des Außendrucks (genauer: von der Differenz des Gasdrucks am Düsenaustritt und dem Außendruck) abhängt. Der Schub einer Rakete liegt meist im Bereich einiger Tausend Kilonewton.Bei konstanten Druckverhältnissen und fester Düsengeometrie wird der Schub des Raketenmotors umso größer, je mehr Verbrennungsgase pro Sekunde ausgestoßen werden und je höher die Geschwindigkeit ist, mit der das geschieht. Einen interessanten Einfluss hat der Außendruck: Da er mit zunehmender Höhe abnimmt, steigt bei sonst konstanten Bedingungen der Schub an. Daher ist bei der Angabe des Triebwerksschubs immer auch die zugehörige Höhe zu nennen. Der Schub wird maximal, wenn der Austrittsdruck und der Außendruck gleich sind; in diesem Fall nennt man die Düse angepasst.Durch geeignete geometrische Formgebung lässt sich eine Düse stets anpassen; auf diese Weise kann man ein Triebwerk für verschiedene Einsatzbereiche optimieren. Für die erste Stufe einer Rakete, die in der dichten Erdatmosphäre fliegt, ist eine andere Düsenform und -größe erforderlich als für die im Vakuum des Weltraums fliegende Oberstufe. Ideal, jedoch technisch schwierig zu realisieren, ist eine während des Betriebs in der Form veränderliche Düse.Neben dem Schub ist der spezifische Impuls eine wichtige Kenngröße, die über die Effizienz eines Raketentriebwerks Auskunft gibt. Er ist wie der Schub höhenabhängig und wird in Sekunden angegeben. Für den (idealisierten) Fall, dass Schub und die pro Sekunde ausgestoßene Masse des ausgestoßenen Gases während des Verbrennungsvorgangs konstant bleiben, ist der spezifische Impuls diejenige Zeit, während der der Raketenmotor einen Schub produziert, der gleich dem Gewicht des verbrauchten Treibstoffs ist. Für eine angepasste Düse entspricht der spezifische Impuls eines Raketentriebwerks in Meereshöhe etwa einem Zehntel des Zahlenwerts der Geschwindigkeit der ausgestoßenen Gase, gemessen in Meter pro Sekunde.Die Geschwindigkeit der Teilchen im Triebwerksstrahl ist mit dem Geschwindigkeitszuwachs, den das Trägerfahrzeug erfährt, über die Raketengrundgleichung verknüpft. Sie berücksichtigt, dass die Masse der Rakete nicht konstant bleibt, sondern sich von einer Anfangsmasse (ma) auf eine Endmasse (me) verringert:Nach dieser Gleichung ist der erzielbare Geschwindigkeitszuwachs (Δv) umso größer, je höher die Geschwindigkeit im Abgasstrahl ve und je besser das Verhältnis von Anfangsmasse ma zu Endmasse me des Gefährts ist. (Das Symbol »log« bezeichnet den natürlichen Logarithmus des Quotienten ma/me.) Im einfachsten Fall ist die Endmasse me genau um so viel kleiner als ma, wie Treibstoff verbraucht wurde. Man kann das Massenverhältnis aber auch durch das Prinzip der »Stufung« verbessern: Dabei werden zwei oder mehr Teilraketen (Stufen) zu einem Gesamtfahrzeug verbunden; die unterste Rakete wird gezündet und trägt die oberen Stufen gewissermaßen als »Last« mit. Die jeweils ausgebrannten Stufen werden sukzessive abgeworfen. Die Endgeschwindigkeit der Rakete errechnet sich als die Summe der Geschwindigkeitszuwächse ihrer aufeinander folgenden Stufen, die — und das ist das Entscheidende dabei — mit jeweils höherer Anfangsgeschwindigkeit und einem geringeren zu beschleunigenden Fahrzeuggewicht zu arbeiten beginnen.Gestufte Trägersysteme sind in heutigen Raumtransportern die Regel. Allerdings würden die Entwickler gern einstufige Trägersysteme bauen: Ein solches Gefährt müsste keine Teile im Flug abwerfen, es könnte völlig intakt aus dem Weltraum zur Erde zurückkehren und nach verhältnismäßig geringfügigen Wartungsarbeiten und nach Wiederbetankung zu einer neuen Mission starten. Raumfähren wie der Spaceshuttle sind ein erster Schritt, diesen Gedanken zu verwirklichen.Andere RaumfahrtantriebeNeben der Verbrennung von chemischen Treibstoffen sind noch zahlreiche Varianten des Raketentriebwerks auf der Basis des Rückstoßprinzips möglich. Zum Beispiel können durch elektrische Felder beschleunigte geladene Teilchen, die in einem kontinuierlichen Strahl ausgestoßen werden, als Antrieb für Raumfahrzeuge dienen. Ebenso sind andere primäre Energiequellen als die chemothermische Treibstoffverbrennung möglich: Kernreaktoren und äußere Strahlung, beispielsweise die der Sonne oder die eines starken Lasers. Derartige Antriebe eignen sich nach heutigem Kenntnisstand zwar nicht dafür, die Erdschwere zu überwinden, weil sie nicht die erforderliche hohe Schubkraft im Verhältnis zum Fahrzeuggewicht aufzubringen vermögen. Sind aber Raumfahrzeuge erst einmal in eine Erdumlaufbahn gebracht, so können nicht chemische Raketentriebwerke eine für bestimmte Aufgaben technisch vorteilhafte und wirtschaftliche Alternative sein.Das auffälligste Merkmal elektrischer Triebwerke ist der hohe spezifische Impuls von 1000 bis 10 000 Sekunden (im Vergleich: etwa 400—500 Sekunden für ein Flüssigkeitstriebwerk moderner Bauart), bei gleichzeitig sehr niedrigen Schubwerten (typischerweise im Bereich von Tausendstel bis einige Zehntel Newton). Elektrische Antriebe werden heute schon als Steuertriebwerk zur Lageregelung und Bahnkorrektur von Satelliten verwendet. Elektrische Raketentriebwerke mit Sonnenenergieversorgung sind auch vorgeschlagen worden, um einen Satelliten von einer niedrigen in eine höhere Bahn zu heben, insbesondere aber, um als »Marschtriebwerk« Raumschiffe auf langen interplanetaren Bahnen zu beschleunigen. In der im August 1998 gestarteten US-amerikanischen »Deep Space 1«-Mission wurde erstmals ein solches »Ionentriebwerk« eingesetzt, das trotz kleinerer Schwierigkeiten den Erwartungen entsprechend arbeitet.Elektrische Antriebssysteme sind in verschiedenen Variationen erforscht und im Modell getestet worden. Drei allgemeine Typen lassen sich unterscheiden:Beim elektrostatischen Antrieb, auch Ionentriebwerk genannt, wird eine Treibstoffflüssigkeit (üblicherweise Caesium oder ein Edelgas) zuerst ionisiert (in positiv geladene elektrische Partikel umgewandelt) und dann durch statische elektrische Felder stark beschleunigt. Bevor der Treibstoff als kontinuierlicher Massenstrahl mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen wird, muss er durch Zugabe von Elektronen wieder neutralisiert werden, um eine elektrische Aufladung der Triebwerksstruktur zu vermeiden.Bei der elektrothermischen Variante (Lichtbogentriebwerk oder »arc jet«) wird eine Flüssigkeit (etwa Hydrazin), die koaxial durch einen ringförmigen elektrischen Lichtbogen strömt, stark erhitzt und in einer konventionellen Düse entspannt.In magneto-hydrodynamischen Systemen (MHD) wird durch starke Aufheizung eines festen Stoffs zuerst ein Plasma (ein elektrisch geladenes Gas) erzeugt, das dann von elektromagnetischen Feldern hoch beschleunigt und ausgestoßen wird.Ebenfalls im Bereich des heute prinzipiell technisch Machbaren sind Raketenantriebe, die ihre Primärenergie aus der Spaltung von Atomkernen beziehen. Nach einem Konzept, das in Planungsstudien in den USA bereits in den 1960er-Jahren untersucht worden ist (Nuclear Engine for Rocket Vehicle Applications, NERVA), wird flüssiger Wasserstoff als Arbeitsmedium im Inneren eines Spaltreaktors lediglich erhitzt, nicht aber verbrannt. Der Vortrieb wird erzeugt, indem das stark erhitzte Gas über eine gewöhnliche Düse ausgestoßen wird. Solche Aggregate wurden damals zwar als Experimentalmodell am Boden getestet, allerdings aus Sicherheits-, Kosten- und Umweltgründen nicht zu einsatztauglichen Systemen weiterentwickelt.Noch ganz andere Antriebsmechanismen sind vorgeschlagen, teilweise auch schon realisiert worden. So wird bei interplanetaren Missionen die Massenanziehung von Sonne und Planeten genutzt, um Raumfahrzeugen beim Passieren zusätzlichen »Schwung« zu geben. Man spricht von »gravitationsunterstützten« Bahnmanövern; im Englischen bezeichnet man sie als »Swing-by-Manöver«.Eine andere Idee will sich den Impuls der von der Sonne ausgesandten Lichtquanten (Photonen) zunutze machen. Ein im Weltraum aufgespanntes großes Segel aus einem sehr leichten, das Licht reflektierenden Material und eine in geeigneter Weise im Zentrum befestigte Nutzlast würden durch das auftreffende Sonnenlicht eine zwar sehr geringe Beschleunigung, über eine lange Zeit akkumuliert aber doch einen ausreichenden Geschwindigkeitszuwachs erfahren. Solche »Sonnensegler« sind beim heutigen fortgeschrittenen Stand der Technik, insbesondere hinsichtlich der Materialien für das Segel und der mechanischen Entfaltungsmechanismen, in den Bereich des Möglichen gerückt.Wege in den Weltraum und zurückEine Nutzlast in den Weltraum zu bringen erfordert, einen Teil der Massenanziehung der Erde zu überwinden. Dazu muss dem Körper, der einen Erdorbit erreichen soll, so viel Energie zugeführt werden, dass er die notwendige Orbitalgeschwindigkeit in der zugehörigen Bahnhöhe erreicht. Dies ist die Aufgabe der Trägerrakete.Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bahngeschwindigkeit und -höhe sowie der Umlaufzeit (Periode), die durch die Kepler'schen Gesetze gegeben ist. Bei einer Geschwindigkeit von 7,9 Kilometern pro Sekunde (man nennt sie die »erste kosmische Geschwindigkeit«) bewegt sich ein Satellit auf einer Kreisbahn in etwa 100 Kilometern Höhe um die Erde. Ist die Geschwindigkeit höher, aber unterhalb 11,2 Kilometern pro Sekunde, ist die Flugbahn elliptisch. Um vom Erdboden aus das Schwerefeld der Erde auf einer Parabelbahn verlassen zu können, muss ein Objekt auf etwa 11,2 Kilometer pro Sekunde (gut 40 000 Kilometer pro Stunde, die Fluchtgeschwindigkeit oder zweite kosmische Geschwindigkeit) beschleunigt werden.Nachdem ein Raumflugkörper seine Umlauf- beziehungsweise Fluchtgeschwindigkeit erreicht hat, vollzieht sich der weitere Flug antriebslos unter Ausnutzung seiner kinetischen Energie und der Schwerefelder der Planeten. Man sagt, die Flugbahn sei ballistisch.Die Bewegung von Satelliten im Schwerefeld der Erde (im Fall von Raumsonden im Gravitationsfeld der Sonne) wird bestimmt durch das Wechselspiel von Fliehkraft und Schwerkraft. Es lässt sich durch das Trägheitsgesetz und das Gravitationsgesetz beschreiben. Ein Satellit befindet sich auf einer stabilen Bahn, wenn er weder infolge der Schwerkraft auf die Erde stürzt noch infolge der Zentrifugalkraft (Fliehkraft), die durch die kreisförmige Bewegung entsteht, aus der Bahn herausgeschleudert wird: Die Schwerkraft und die Zentrifugalkraft befinden sich im Gleichgewicht. Anders ausgedrückt: Ein Raumfahrzeug in einem kreisförmigen Erdorbit befindet sich frei von äußeren Kräften im permanenten »freien Fall« um die Erde.Nur wenn die Kreisbahngeschwindigkeit genau eingehalten wird, stehen Fliehkraft und Gravitation bei einer gegebenen Flughöhe im Gleichgewicht. Weicht die tatsächliche Geschwindigkeit davon ab, so bewegt sich der Satellit auf einer elliptischen Bahn. Bei steigender Geschwindigkeit, etwa durch einen Triebwerksimpuls, wird die Bahnellipse gestreckter, und das Apogäum rückt weiter der Erde weg; bei niedrigerer Geschwindigkeit, etwa infolge der Abbremsung durch Reibung in der Restatmosphäre, nähert sich der Satellit der Erdoberfläche.Künstliche Erdsatelliten sind, sobald sie ihre Umlaufbahn erreicht haben, Himmelskörper, deren Bewegung nach den Gesetzen der Himmelsmechanik erfolgt. Sie unterliegen jedoch einer Reihe von Störeinflüssen. Es lassen sich Störfaktoren unterscheiden, die ihren Ursprung in Gravitationskräften haben (beispielsweise Anziehung von Mond und Sonne, Abplattung der Erde), und solche nicht gravitativen Ursprungs (etwa Reibungswiderstand der Restatmosphäre, Strahlungsdruck der Sonne).Für spezielle Anwendungssatelliten sind jeweils eigene Typen oder Klassen von Orbits besonders günstig. Sie sind exemplarisch in den Abschnitten erläutert, die den Anwendungen Kommunikation oder Erdbeobachtung gewidmet sind.Der geostationäre TransferorbitUm einen Satelliten mit möglichst geringem Energieaufwand in die geostationäre Bahn zu bringen, wendet man ein kompliziertes Verfahren an, das nach dem deutschen Ingenieur Walter Hohmann »Hohmann-Transfer« genannt wird. Es läuft in zwei Schritten ab:Im ersten Schritt setzt der Träger den Satelliten in einer kreisförmigen, niedrigen Erdumlaufbahn ab, dem »Parkorbit«. Dort, in einer Höhe von etwa 200 Kilometern, ist er der Bremswirkung durch die Erdatmosphäre weitgehend entzogen. Der Satellit bekommt von der Oberstufe des Trägers beim »Einschuss« in den Parkorbit eine Horizontalgeschwindigkeit von 7,8 Kilometern pro Sekunde. Dieser Wert ist so bemessen, dass ein kreisförmiger Orbit resultiert. Beim Erhöhen der Orbitalgeschwindigkeit wird nach den Gesetzen der Himmelsmechanik aus dem kreisförmigen ein elliptischer Erdorbit (jedenfalls so lange, wie die Geschwindigkeit unterhalb der »Fluchtgeschwindigkeit« von 11,2 Kilometern pro Sekunde liegt). Der erdnächste Punkt (Perigäum) bleibt bei 200 Kilometern, aber der erdfernste Punkt (Apogäum) vergrößert seinen Abstand. Erhöht man durch ein genau dosiertes Feuern des Satellitenmotors im Perigäum die Geschwindigkeit um genau 2,45 Kilometer pro Sekunde, so liegt das Apogäum der Hohmann-Bahn genau im geostationären Orbit in 35 800 Kilometer Höhe. Diese Bahn wird geostationärer Transferorbit (GTO) genannt.Im zweiten Schritt wird nach einigen Umläufen in der Transferbahn ein weiterer Impuls im Apogäum des Transferorbits aufgebracht; er lässt die Geschwindigkeit um 1,48 Kilometer pro Sekunde wachsen und verleiht so dem Satelliten die für einen zirkularen Orbit in dieser Höhe notwendige Geschwindigkeit von 3,7 Kilometern pro Sekunde, gleichzeitig ändert er die Umlaufebene (der Transferorbit hat eine bestimmte vom Startort abhängige Inklination, die Inklination der geostationären Bahn ist null). Dabei muss der Apogäumsmotor des Satelliten beim Feuern in die korrekte Richtung zeigen.Bedingungen beim Auf- und AbstiegDie Beschleunigung, mit der eine Trägerrakete aufsteigt, unterliegt bestimmten Einschränkungen. Zwar gilt die allgemeine Regel, dass eine höhere Beschleunigung weniger Treibstoff verbraucht und damit wirtschaftlicher ist. Durch die Wechselwirkung mit der Atmosphäre einerseits und dynamische Belastungen andererseits dürfen jedoch bestimmte Werte nicht überschritten werden.Bevor eine Trägerrakete den Injektionspunkt für den Einschuss des Satelliten in seinen Park- oder Transferorbit erreicht, muss sie zunächst die Erdatmosphäre durchfliegen. In dieser anfänglichen Aufstiegsphase wirken starke dynamische Kräfte auf das Fahrzeug ein, die Werte erreichen können, die dem achtfachen der Erdbeschleunigung entsprechen. Des Weiteren erzeugt der Luftwiderstand aerodynamische Belastungen, die in der Nähe der Schallmauer maximal werden (beim amerikanischen Spaceshuttle zum Beispiel wird die Schallgeschwindigkeit etwa 1 Minute nach dem Abheben in einer Höhe von etwa 13 Kilometern erreicht). Eine obere Schranke ist dadurch gegeben, dass die einwirkenden starken Beschleunigungskräfte die Struktur der Rakete zerstören können.Noch größeren Beschränkungen unterliegen natürlich jene Träger, die Menschen ins All befördern sollen. Eine Beschleunigung von 6 g, also dem sechsfachen der Erdbeschleunigung, gilt als die äußerste Grenze für bemannte Raumflüge. Schließlich übertragen die Raketenmotoren Vibrationen und akustische Schwingungen auf das gesamte Fahrzeug, die nicht nur von Astronauten als unangenehm empfunden werden, sondern auch empfindliche Teile von unbemannten Satelliten, etwa Elektronik oder wissenschaftliche Instrumente, beschädigen können.Während des etwa zehnminütigen Aufstiegs vom Startplatz in einen typischen niedrigen Erdorbit von ungefähr 200 Kilometer Höhe ändern sich die äußeren Bedingungen für das Trägerfahrzeug und seine Nutzlast drastisch. Die wichtigsten Einflussgrößen sind: die Wetterbedingungen, die Strahlenbelastung sowie Kollisionen mit natürlichen und künstlichen Raumkörpern.Wetterbedingungen am Boden und in der unteren Atmosphäre bis etwa 15 Kilometer Höhe (Tropopause) wie Frost, Windböen oder Blitzschlag können die Sicherheit des Fluges beeinträchtigen.Mit sinkendem Luftdruck wird ab etwa 80 Kilometer Höhe eine aerodynamische Flugsteuerung praktisch unwirksam; der Luftwiderstand ist ab etwa 200 Kilometern Höhe weitgehend zu vernachlässigen. Schon ab Flughöhen von etwa 18 Kilometern und natürlich erst recht im Vakuum des Weltraums benötigen Astronauten eine Druckkabine oder einen Raumanzug.Außerhalb der schützenden Lufthülle der Erde steigt die energiereiche Weltraumstrahlung an: in 20 Kilometer Höhe schon auf das 300- und in etwa 400 Kilometern auf das 1000fache des Werts auf Meereshöhe. Die Folge ist eine wahrscheinlich dauerhafte und irreversible Gesundheitsschädigung für Menschen sowie eine steigende Schadenshäufigkeit an technischen Geräten, zum Beispiel an Sonnenzellen und elektronischen Bauteilen. Die Strahlung ist besonders hoch in zwei gürtelförmig die Erde umgebenden Gebieten, den Van-Allen-Strahlungsgürteln, einer der spektakulärsten Entdeckungen der frühen Raumfahrt. Diese gelang dem amerikanischen Forscher James A. van Allen 1958 bei der Auswertung von Messdaten des Satelliten Explorer. Die nach ihm benannten Van-Allen-Gürtel enthalten vom Erdmagnetfeld gefangene energiereiche geladene Teilchen, die aus dem Sonnenwind und aus Kollisionen der Atome der Atmosphäre mit der kosmischen Strahlung stammen. Die Symmetrieachse ist zur Rotationsachse der Erde geneigt. Beide Gürtel müssen beispielsweise zum Erreichen einer geostationären Bahn durchquert werden.Im Weltraum können Raumflugkörper — und indirekt auch die mitfliegenden Menschen — leicht in Gefahr geraten, mit kleinen, umherfliegenden Materieteilchen zu kollidieren, was bei den häufig herrschenden hohen Geschwindigkeiten schon bei nur zentimetergroßen Teilchen verheerende Folgen haben kann. Die Gefährdung geht von zwei Arten von Objekten aus: natürlich vorkommende Mikrometeoriten, die mit Geschwindigkeiten von bis zu 30 Kilometern pro Sekunde aus den Tiefen des Weltraums kommend die Erdbahn kreuzen, sowie Artefakte, die sich in verschiedensten Umlaufbahnen des erdnahen Weltraums in großer Zahl befinden — besser bekannt unter dem Namen »Weltraummüll« oder »Weltraumschrott«. Ganz allgemein versteht man darunter von Raumfahrtaktivitäten herrührende Überreste unterschiedlichster Art und Größe, beispielsweise Trümmer explodierter Raketenoberstufen oder komplette ausgediente Satelliten. Durch ihre hohe Geschwindigkeit sind selbst sehr kleine Partikel nicht harmlos. So schlug 1983 ein nur 0,2 Millimeter großer Lackpartikel in die Scheibe eines Spaceshuttles eine 2,4 Millimeter tiefe Scharte. Schon ein geringfügig größeres Teilchen hätte das Spezialglas zertrümmert — mit möglicherweise katastrophalen Folgen.Die Bewegung der einzelnen Weltraummüllteilchen wird unter anderem vom US-amerikanischen Luftraumverteidigungskommando NORAD mit Radar überwacht, um gegebenenfalls vor einer Kollision warnen zu können. In den Listen sind etwa 8500 Objekte vom Umfang einer Grapefruit bis zur Größe eines Lastwagens aufgeführt, 110 000 Objekte mit Größen von einem bis zehn Zentimetern und 35 000 Objekte zwischen 0,1 und einem Zentimeter. Die zahllosen kleineren Partikel sind von der Erde aus nicht sichtbar.Die Außenhaut des Trägers und des Raumfahrzeugs sind extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt: von —60 Grad Celsius in 15 Kilometer und —90 Grad Celsius in 80 Kilometer Höhe bis zu +500 Grad Celsius und mehr ab 150 Kilometer Höhe. Geräte und Instrumente sind im Weltraum ungehinderter Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Die Außenhaut muss daher ein hohes Reflexionsvermögen aufweisen und hochbeständig gegen ultraviolette Strahlung (UV-Licht) sein.In der Erdumlaufbahn stellt sich für das Raumfahrzeug als Ganzes und für alle Objekte in seinem Inneren der Zustand der Schwerelosigkeit ein: Gegenstände schweben scheinbar gewichtslos durch den Raum. Dies ist eine Folge des andauernden »freien Falls« des Raumfahrzeugs um die Erde, bei dem Erdanziehung und Zentrifugalkraft sich im Gleichgewicht befinden. Während für die meisten Systeme automatischer Satelliten die daraus resultierenden Effekte von untergeordneter Bedeutung sind, werden die an die irdische Schwerkraft angepassten Organe und Körperfunktionen von Raumfahrern erheblich beeinflusst — mit im Wesentlichen ungünstigen Auswirkungen auf Wohlbefinden, Arbeitsfähigkeit und Gesundheit.Um aus dem Orbit zur Erde zurückzukehren, muss ein Raumfahrzeug zuerst mithilfe seines Raketenantriebs ein Bremsmanöver ausführen, mit dem der Vorgang des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre eingeleitet wird. Wesentlich für einen sicheren Wiedereintritt ist der Bahnwinkel gegen den Erdhorizont. Er beträgt —6,2 Grad und muss bis auf ein Grad genau eingehalten werden. Ist er zu steil, so wird die Hitzebelastung zu groß und das Fahrzeug könnte zerstört werden. Der weitaus größte Teil der orbitalen Energie wird beim Eintauchen in dichtere Schichten der Erdatmosphäre durch Reibung an den Luftmolekülen abgebaut. Es kommt zu einer starken Aufheizung der Außenhülle des Raumfahrzeugs, die an exponierten Stellen Werte bis zu 2000 Grad Celsius erreicht. Die entstehende Wärme wurde bei den früheren, nur einmal einsetzbaren Raumkapseln durch allmähliches Abschmelzen und Verdampfen eines Hitzeschutzschilds aus mit Glasfasern verstärkten Kunstharzen abgeführt; dieses Verfahren wird Ablationskühlung genannt. Im Spaceshuttle verwendet man zum Schutz der Aluminiumstruktur des Fahrzeugs und der Mannschaftskabine heute dicke Kacheln aus mit Borsilikatglas beschichtetem Silicium, das die Reibungswärme als Strahlungswärme wieder abgibt. In der Phase stärkster thermischer Belastung während eines Shuttle-Wiedereintritts glüht die umgebende Luft grell auf, und die Funkverbindung zur Bodenkontrollstation reißt für etwa zwölf Minuten ab. In der letzten Phase der Landung wird die Sinkgeschwindigkeit auf für eine weiche Landung notwendige Werte verringert — durch Fallschirme bei kapselartigen Rückkehrsystemen, wie bei den amerikanischen Apollo-Mondmissionen oder den russischen Sojus-Kapseln, beim Spaceshuttle durch aerodynamischen Auftrieb wie bei einem Flugzeug.Prof. Dr. Hans-Joachim Blome und Dr. Jens FrommWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Raumfahrttechnik: Raketen, Trägersysteme, RaumtransporterGrundlegende Informationen finden Sie unter:Raumfahrt: Visionen und Realitäten - Eine kurze BilanzHandbuch der Raumfahrttechnik. Grundlagen, Nutzung, Raumfahrtsysteme, Produktsicherung und Projektmanagement, herausgegeben von Willi Hallmann und Wilfried Ley. München u. a. 21999.Hawkes, Nigel / Pang, Alex: Raketen und Raumfahrt, bearbeitet von Marcus Würmli. Mannheim u. a. 1998.
Universal-Lexikon. 2012.